Bericht 4
Projekt: „…dahin wie ein Schatten“
Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Erinnerungsprojekt für die Lübecker jüdischen Geschwister Hanna und Hermann Mecklenburg.
Ein Kooperationsprojekt des Ostsee-Gymnasiums Timmendorfer Strand und der Cesar-Klein-Schule Ratekau
Das Projekt wendet sich dem Ende zu:
3. Theater-Workshop und letztes Nachbereitungstreffen am 11.12 / 12.12.2021 mit der Theater-Pädagogin und Schauspielerin Janina Blohm-Sievers
Am Samstagmorgen starteten wir das letzte Theater-Workshop-Wochenende in der Kulturwerft Gollan mit einer Aufwärmübung. Danach gestalteten und beschrifteten wir Steine, die wir an der Ostsee gesammelt hatten.
Die Rückseite der Steine wurde mit unserem Projektnamen:
DAHIN WIE EIN SCHATTEN gekennzeichnet. Und auf die Vorderseite schrieben wir Begriffe, kurze Sätze, die mit unserem Thema zu tun haben. Hier ein paar Beispiele:
Diese Steine verteilten wir in der Lübecker Innenstadt, in Gedenken an die verfolgten und ermordeten Juden während der NS-Zeit. Unser Weg führte uns vom Holstentor an der Obertrave entlang zur Lübecker Synagoge, über die Breite Straße durch die Mengstraße am Wohnhaus der Geschwister Mecklenburg vorbei bis zum Hansemuseum.
Der zweite Teil des Tages ging um das Thema Diskriminierung. Wir begannen mit einem Spiel, in dem wir uns immer in zwei Gruppen geteilt haben. Unsere Gruppenkategorien waren wie folgt:
Mann – Frau
groß – klein
alt – jung
gläubig – ungläubig
wohlhabend – nicht wohlhabend
In Deutschland geboren – nicht in Deutschland geboren
Wenn wir uns in die Gruppen aufgeteilt haben, dann mussten wir beispielsweise durch den Raum gehen und in einem Flüsterton zu uns selber sagen: Ich bin jung – Ich bin jung – Ich bin jung … bzw. Ich bin alt – Ich bin alt – Ich bin alt …
Im Anschluss haben wir dann darüber gesprochen, wie es sich angefühlt hat, wenn man sich bestimmte Sätze wie: Ich bin jung, oder ich bin nicht wohlhabend immer wieder selber sagt.
Janina hat dann wissenschaftlich erklärt, wie Diskriminierung entsteht und was psychologisch dabei mit Menschen passiert. Wir haben dann am Ende des Tages, darüber diskutiert, wie es zur Diskriminierung der Juden in der NS-Zeit gekommen ist, dabei auch über den Antisemitismus gesprochen, den es schon vorher gab, bevor die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland übernommen hatten.
Am nächsten Tag begannen wir wieder mit einer Aufwärmübung, dieses Mal eine Sprach-/Stimmübung.
Danach suchte sich jeder zwei Wörter und ein Geräusch passend zu unserem Thema aus. Aus den Theatermitteln, die wir beim zweiten Theater-Workshop kennen gelernt hatten, suchten wir sprachliche Mittel heraus (sprachliche Mittel wären z. B. Zeitlupe, Zeitraffer, Wiederholen, feste Stimme, zitternde Stimme, flüstern, schreien usw.). Die Wörter, die wir uns also ausgesucht hatten, wurden dann mit unterschiedlichen sprachlichen Mitteln gesagt. So wie man zum Beispiel mit trauriger und langsamer Stimme HEIMAT sagt. Jeder machte dann immer wieder ein Geräusch (z. B. das Zerreißen von Papier oder das Stampfen auf dem Boden oder das geräuschvolle Marschieren mit Stiefeln) und ebenso wurden immer wieder die beiden Wörter gesagt – immer mit den gleichen Sprachmitteln, für die sich die Person entschieden hatte. Diese Wörter und Geräusche haben wir dann zu einer Klangcollage zusammengefügt, die Janina mit uns inszeniert hat. Das war sehr eindrucksvoll.
Als Nächstes übten wir diese sprachlichen Mittel anhand einiger Texte und Gedichte, die natürlich auch mit unserem Thema Verfolgung im Dritten Reich zusammenhingen. Danach haben wir Texte zu zweit oder dritt gelesen, jede Gruppe hat dazu verschiedene Theatermittel verwendet. Wir haben herumprobiert und dann gemerkt, wie dieselben Texte sich verändern, je nachdem mit welchen sprachlichen Mitteln man sie liest.
Nun machten wir eine Pause beim Thema Sprach/Stimmübungen und widmeten uns erneut dem Thema Diskriminierung. Wir veranstalteten einen „T-Shirt Krieg“, genauer gesagt einen Pulloverkrieg. Es gab 4 rote Pullover und zwei schwarze. Das Ziel war, einen roten Pullover zu ergattern, die Pullover lagen in der Mitte des Raumes auf einem Haufen. Diejenigen, die sich einen roten Pullover erbeutet hatten, bildeten eine Gruppe, die die anderen mit dem schwarzen Pullover ausgrenzten. Doch dann plötzlich entdeckte einer aus der schwarzen Gruppe einen Gegenstand/Merkmal bei der roten Gruppe, das ihn mit einem Mitglied der roten Gruppe verband. Dieses Mitglied der roten Gruppen fand das neue Merkmal auch interessant, plötzlich war das neue Merkmal angesagt, und schon bildete sich eine neue Gruppe, beispielsweise bewunderte eine Person aus der schwarzen Gruppe die Brille einer Person aus der roten Gruppe und schon schlossen sich alle Brillenträger zu einer neuen Gruppe zusammen und schlossen die Übriggebliebenen aus. Uns wurde dabei eindrücklich klar, wie Diskriminierung funktioniert.
Dann kehrten wir wieder zurück zur Textarbeit. Als letztes veränderten wir einen Text eines SS-Aufsehers von Auschwitz mit den an diesem Wochenende erprobten Theatermitteln und sprachen diesen Text dann als Chor. Dies war unglaublich wirkungsvoll.
Wir fanden uns dann noch einmal in einen Stuhlkreis zusammen und reflektierten das Wochenende. Wir waren uns alle einig, dass uns diese zwei Tage viel gebracht haben und wir haben auch gemerkt, dass wir mutiger geworden sind – wir haben uns immer mehr zugetraut und mit der Sprache gespielt. Das war für viele von uns absolutes Neuland.
Das war nun der letzte Theater-Workshop zu unserem Projekt „Dahin wie ein Schatten“.
Im Januar findet das nächste Treffen für all diejenigen statt, die an dem Erinnerungsmahnmal für die Geschwister Mecklenburg mitarbeiten wollen. Dazu werden wir uns im Atelier des Bildhauers Winni Schaak in Lübeck-Schlutup treffen.
Ein Bericht von Nele Heyer, Klasse 10c