Projekt Kunst

Projekt: „Dahin wie ein Schatten“

Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Erinnerungsprojekt für die Lübecker jüdischen Geschwister Hanna und Hermann Mecklenburg.

Ein Kooperationsprojekt des Ostsee-Gymnasiums Timmendorfer Strand und der Cesar-Klein-Schule Ratekau

Das Projekt geht weiter:
Treffen des Kunstprojekts „Erinnerungsmal für Hanna und Hermann Mecklenburg im Atelier von Winni Schaak am 5./6. und am 25. Februar 2022

Eigentlich sollte das erste Treffen der Kunstprojektteilnehmer im Atelier des Bildhauers Winni Schaak schon am 15./16. Januar 2022 stattfinden, aber Corona hat uns abermals einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir durften uns nicht kohortenübergreifend treffen. Das Projekttreffen wurde abermals verschoben und fand drei Wochen später getrennt nach Schulen statt, was wir eigentlich sehr schade fanden – aber besser als gar kein Treffen…

Am Samstag, den 5. Februar 2022 waren die drei Schüler*innen LeAnn Diestel, Wessam Alotba und ich (Paula Lücke) von der Cesar-Klein-Schule in Lübeck-Schlutup.  Mit dabei waren auch wieder die Filmemacherin Katharina Spuida-Jabbouti, die drei Lehrer*innen, Herr Knebel, Frau Düppe und Frau Finke-Schaak und natürlich der Bildhauer Winni Schaak.

Als wir angekommen sind, haben wir zunächst alle einen Corona-Selbsttest gemacht.  Im Atelier befand sich eine  Stellwand, auf der unsere Ideen, die wir bereits beim ersten Treffen mit Winni Schaak im August 2021 gesammelt hatten, angebracht waren. Der Begriff Tunnel dominierte damals im August.

Nun waren wir aber um einige Erfahrungen reicher, denn nun hatten wir die ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz und Birkenau mit eigenen Augen gesehen und wir hatten uns intensiv mit der Geschichte verschiedener jüdischer Kinder und Jugendlicher aus Lübeck während der Theater-Workshops auseinandergesetzt. Wir diskutierten, welche Begriffe nun in unseren Köpfen präsent waren. Wir stellten fest, dass der Tunnel nach wie vor das beherrschende Bild war, denn der Tunnel repräsentierte für uns eine Bedrohungssituation, diese Bedrohungssituation könnte durch eine schiefe Ebene bzw. kippende Wand verstärkt werden, so wie die Stelen, die wir im Jüdischen Museum in Berlin gesehen hatten. Wir entschieden also, dass unser Erinnerungsmal durch einen Tunnel dargestellt werden sollte. Uns kamen aber auch die Bilder der Räume mit den vielen Koffern, auch die Glasvitrinen mit dem Kinderspielzeug in den Sinn. Wir überlegten,  wie wir den Tunnel weiter gestalten bzw. ihm Charakter geben könnten, sodass er zur Geschichte der Kinder Hanna und Hermann passt, aber auch an den Zweiten Weltkrieg und die Furcht und den Schrecken der Menschen erinnert. Wir wollten entweder Kinder-Fußabdrücke, Stofftiere oder Koffer mit in die Tunnel einbringen.

Danach haben wir uns Winni Schaaks Skulpturen in seinem Ausstellungsraum angeschaut und uns dort Tipps und Inspirationen geholt. Er hatte in seiner Ausstellung hauptsächlich

Skulpturen mit Durchbrüchen, also von Tunneln, was für uns sehr passend war, da wir uns auch für einen Tunnel entschieden hatten. Einige Skulpturen von Winni Schaak haben sehr gut zu unserem Thema gepasst und unsere Vision, wie wir die Skulpturen am Ende haben wollten, wurde immer genauer.

Wir sind dann wieder zurück ins Atelier gegangen, wo Arbeitstische für uns vorbereitet waren.

Dann haben wir angefangen, die ersten Ideen, die wir hatten, auf ein Blatt Papier zu zeichnen. Die Tunnel wurden teilweise enger, sodass man ein Gefühl von Platzangst bekam, wenn man sich vorstellte, hindurch zu gehen. Nach einem ungefähren Entwurf auf Papier fingen wir an, den passenden Maßstab zu berechnen, die einzelnen Teile des Entwurfes 

maßstabsgetreu aufzuzeichnen und anschließend in Modellbaupappe auszuschneiden. Zum Schluss wurden alle Teile zusammengeklebt, sodass wir einen 3D-Entwurf unserer Skulpturen fertiggestellt hatten.

Paula Lücke, 12. Klasse Cesar-Klein-Schule, Ratekau

TAG 2
Am Sonntag, 06. Februar  waren die drei Schüler*innen des Ostseegymnasiums an der Reihe:  Lucja Nara Koll, Käthe Wieseler und Julius Gottschlich.

Wir haben heute ebenfalls damit begonnen, die Stichpunkte auf der Stellwand im Atelier, die wir im Sommer gesammelt hatten, noch einmal auf uns wirken zu lassen. Winni Schaak informierte die OGT-Schüler*innen, dass die gestrige Gruppe von der Cesar-Klein-Schule an dem Thema Tunnel gearbeitet hätte und zeigte die Ergebnisse des gestrigen Tages, was die Schüler sehr beeindruckte.

Die „Sonntags-Gruppe“ ergänzte die Stellwand im Atelier mit weiteren Begriffen. Diese Gruppe legte aber eher den Fokus auf die „Accessoires“, auf das, was wir in Auschwitz gesehen hatten – Koffer, Brillen, Haare, Stacheldraht, Bahnschienen u.a.

Der Tunnel sollte weiter konkretisiert werden. Dem Betrachter soll klar werden, dass der Tunnel symbolisch nach Auschwitz führt.

Winni Schaak zeigte auch der heutigen Gruppe die Objekte in seinem Ausstellungsraum. Seine Kunst erzeugt beim Betrachter Irritationen. Scheinbar flächige Skulpturen zeigen je nach Perspektive eine Dreidimensionalität, die überrascht. Man wird gezwungen, immer wieder den Blickpunkt zu verändern, um die Gestaltung und den Aufbau erschließen zu können. Winni Schaak erklärte den Schülern, dass sein Motto bei einer Arbeit die Reduktion sei – die Andeutung – „weniger sei mehr“.

Nun standen die Schüler*innen vor der Aufgabe, ihre Ideen in eine Form zu bringen. Zunächst zeichneten sie auf Skizzenpapier verschiedene Objekte: Fußspuren, Bahnschienen, Stacheldraht. Dann überlegten sie, wie die Gegenstände zu den Skulpturentwürfen, die am Vortag von Paula, LeAnn und Wessam erstellt wurden, passen könnten. Der Koffer und Fußspuren von Kindern wurden dabei favorisiert.

Anschließend haben die Schüler*innen diese Objekte in Skulpturengröße plastisch mit Modellbaupappe geformt. Begleitet wurde diese Arbeit vom ständigen Austausch untereinander – zwischen Schüler*innen, Lehrer*innen und dem Künstler Winni Schaak.

Obwohl wir corona-bedingt getrennt an den Erinnerungsmalen arbeiten mussten, so wird das Ergebnis doch ein Gemeinschaftswerk unserer beiden Schulen.

Günter Knebel, Lehrer der Cesar-Klein-Schule
Andrea Finke-Schaak, Lehrerin am OGT

Weiteres Treffen am 25. Februar 2022

Die Schüler*innen der Cesar-Klein-Schule waren mit den Skulpturentwürfen noch nicht ganz fertig geworden, deshalb hatten wir ein weiteres Treffen am Freitag Nachmittag, dem 25. Februar, vereinbart. Winni Schaak hatte mittlerweile den Entwurf von Paula Lücke in einer kleinen Form mit Cortenstahl umgesetzt. Alle Beteiligten waren sehr beeindruckt von diesem Probeentwurf und Paula war natürlich – sehr berechtigt – mächtig stolz.

LeAnn und Wessam arbeiteten nun weiter an der Fertigstellung ihrer Entwürfe und Paula zeichnete ein Band mit den Vornamen von Hanna und Hermann Mecklenburg, das wie eine Endlosschleife in die Skulpturen eingelassen werden soll.

Am Ende waren alle stolz auf ihre Entwürfe und sind gespannt auf die weitere Umsetzung.

Erinnerungsmal Identität für die Lübecker jüdischen
Geschwister Hanna und Hermann Mecklenburg

Kurzerklärung zum Projekt

Dieses Projekt Erinnerungsmal Identität hat zum Ziel, bei Jugendlichen eine Sensibilität für das Erinnern und Gedenken an begangenes Unrecht während der Naziherrschaft  zu erreichen. Da es bald keine Zeitzeugen mehr geben wird, müssen andere Formen des „Wachhaltens“ der Vergangenheit gefunden werden. In diesem Projekt sollen Jugendliche konkret Mahnmale gestalten.

Seit vier Jahren gibt es eine Kooperation zwischen  der Cesar-Klein-Schule in Ratekau und dem Ostsee-Gymnasium Timmendorfer Strand zum Thema Erinnerungskultur. Schüler und Schülerinnen dieser beiden Schulen nehmen seither an einer gemeinsamen Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz teil. Im letzten Jahr hat sich auch eine Schülerin des Katherineums beteiligt. Ausgelöst durch die ersten Fahrten haben die beteiligten Schülerinnen und Schüler zum Thema “ Schicksal jüdischer Familien aus Lübeck“ geforscht. Dabei haben sie herausgefunden, dass von den vielen jüdischen Mitbürgern mindestens 12 Menschen in Auschwitz ermordet wurden, darunter 4 Jugendliche. 2 dieser Jugendlichen, das Geschwisterpaar Hanna und Hermann Mecklenburg hatten bis zu ihrer Flucht nach Belgien in der Mengstraße 52 gelebt. Durch die starke Auseinandersetzung mit diesen beiden Opfern entstand der Wunsch bei den Jugendlichen, den Opfern ihre Identität zurückzugeben. Die beiden Lehrkräfte traten dann an mich heran, ihnen bei der Entwicklung und Realisierung eines Mahnmals für das Geschwisterpaar zu helfen. Der Plan war, drei Erinnerungsmale zu schaffen, je eins für die beteiligten Schulen und eines für die Hansestadt Lübeck.

Gemeinsam mit den Schülern sind nun konkrete Entwürfe entstanden. Der Wunsch ist es, einen dieser Entwürfe in eine Skulptur umzusetzen und dann im öffentlichen Raum in der Stadt Lübeck aufzustellen.

Kurzbeschreibung des Entwurfs für Lübeck

Bei der Ideensuche mit den Jugendlichen dominierte der Begriff Tunnel, da für die Schülergruppe der Tunnel – ein sich nach hinten verjüngender, langer, enger, bedrohlich werdender Weg  – symbolisch nach Auschwitz führt. Das Objekt selber sollte den Attributen Bedrohung und Angst entsprechen. Daher entschieden sich die Jugendlichen dazu, das Objekt in Richtung Betrachter zu kippen und eine schneidende Kante hinzuzufügen.

Den Jugendlichen reichte diese formale Entwicklung der Skulptur in Form eines Tunnels noch nicht aus, sie wollten, dass ihre Erfahrungen, die sie von der Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz  mitbrachten, in die Skulptur einfließen sollten.

Es kristallisierten sich konkrete Gegenstände heraus: Koffer, Stacheldraht, Fußspuren, Bahnschienen, Davidstern.

Für das für Lübeck vorgesehene Modell entschieden sich die Jugendlichen für zwei dieser Attribute, für den Koffer und für den Davidstern.

Bisher war unser Entwurf aber noch sehr allgemein gehalten. Wir wollten doch konkret an Hanna und Hermann Mecklenburg erinnern? Dieses wollten wir nicht durch die konkreten Abbildungen der beiden jüdischen Kinder erreichen, sondern durch ihre Vornamen – Hanna und Hermann – die wir als ein umlaufendes Band – als „Endlosschleife“ – in die Außenhaut des Tunnels eingelassen haben. Die Reduzierung auf die Vornamen und das Weglassen des Familiennamens soll darauf hinweisen, dass es sich hier um zwei Kinder gehandelt hat. Das verbindende „Plus“ zwischen den beiden Vornamen Hanna + Hermann ist ein Verweis auf die enge Verbundenheit der beiden als Geschwister.

Über einen QR Code erfährt der Betrachter durch das gesprochene Wort mehr über die Identität der nahezu vergessenen Geschwister Hanna und Hermann Mecklenburg – ehemalige Kinder der Hansestadt Lübeck.

Die geplante Größe der Skulptur beträgt ca. 1,80 m (Maximalhöhe).

Ausfindig gemachte Nachfahren der Familie Mecklenburg, wohnhaft in der Schweiz – Familie Peter Ettlinger – haben ihr Interesse bekundet, an der Einweihung des Erinnerungsmals teilzunehmen.

Dieses Projekt setzt ein aktuelles Zeichen; Jugendliche engagieren sich gegen den stärker werdenden Antisemitismus, indem sie an das vergangene Unrecht – konkret an das begangene Unrecht gegenüber den Geschwistern Mecklenburg erinnern und ihnen ihre Identität zurückgeben.

Ausblick

Wäre es nicht eine wichtige und anregende Idee, in Lübeck einen Erinnerungspfad zu installieren. Diese Skulptur Identität wäre dann ein Teil dieses Erinnerungspfades. Weitere Teile könnten die Märtyrerstelen, die Stolpersteine, die restaurierte Synagoge etc. sein. Künftige Ideen könnten diesen Erinnerungspfad weiter ergänzen.