Die Fahrt begann in Berlin, wo wir uns im Allgemeinen mit dem jüdischen Leben vor dem Dritten Reich befassten. Dazu sahen wir uns zuerst die Ausstellung im Centrum Judaicum an. Die Ausstellung befindet sich in der ehemals größten Synagoge Deutschlands, die jedoch entweiht und größtenteils zerstört wurde. Neben Informationen zum Thema Drittes Reich erwartete uns auch Neues zum Judentum im Allgemeinen. Der Tag wurde mit einem jüdischen Gottesdienst zum Beginn des Sabbats beendet.
Was besonders auffiel waren die Kontrollen, die mit Flughafenkontrollen vergleichbar sind. Dies zeigt die Spuren, die der Antisemitismus heute noch hinterlässt. Auch, wenn es in kleineren Orten wie Timmendorf oder Ratekau kaum merklich ist, spielt die Judenfeindlichkeit leider auch heute noch eine Rolle in der Gesellschaft.
Tag 2 in der Hauptstadt begann mit einem Workshop im jüdischen Museum, das sich mit der Flucht der Juden zur Zeit des Nationalsozialismus befasst.
Die Architektur des Museums beabsichtigt ein Unwohlsein, das durch schräge Böden und einengende Wände hervorgerufen wird. In der Ausstellung werden verschiedene Wege dargestellt, die sich mit dem Gehen und Bleiben beschäftigen. Wir konzentrierten uns hierbei auf die Flucht aus Deutschland. Der Workshop begann mit der Frage, was Heimat für uns bedeutet. Somit wurde ein persönlicher Bezug hergestellt, der uns half, die Situation im Ansatz nachzuvollziehen. Wir arbeiteten zudem mit Dokumenten, um verschiedene Schicksale kennenzulernen. Ein besonderer Teil des Museums war ein Abschnitt im Freien, der dem Holocaust-Mahnmahl nahe des Brandenburger Tors ähnelte: massive Betonblöcke, unebener Boden. Es ist fast unmöglich, durch das Stelenfeld zu laufen. Es ist mehr ein Taumeln. Es scheint, als könne man den unzerbrechlichen Betonklötzen nicht entkommen. Es stellt das Gefühl der Flucht dar, die Heimat zu verlassen und in das Unbekannte zu fliehen, ohne zu wissen, was die Zukunft bringen könnte.
Der Nachmittag schloss die Einheit mit dem Besuch der Ausstellung „Stille Helden“ ab. Hierbei wurden Beispiele von Menschen gegeben, die Juden versteckten und damit retteten. Das Risiko dabei war, verraten zu werden, womit man sich selbst in Gefahr bringen konnte. Jedoch waren viele dieser Aktionen erfolgreich. Das wohl bekannteste Beispiel für stille Helden stellt Oskar Schindler dar.
Am Sonntag fuhren wir in die polnische Kleinstadt Oswiecim. In der nicht weit vom Stammlager entfernten Unterkunft bekamen wir zuerst eine Einführung von unserem Guide, der uns während der gesamten Fahrt mit Informationen versorgte, die neben den Funktionen der verschiedenen Lagerabschnitte auch Biographien, Zitate, heute nahezu vergessene Orte und vieles mehr beinhaltete. Mit unserer Gruppe war er zum 25. mal in Auschwitz und brachte somit jede Menge Wissen mit und stand bei Fragen immer zur Verfügung.
Tag 1 in Auschwitz begann mit dem Besuch von Harmence, dem Ort eines Außenlagers, an dem Viehzucht betrieben wurde. Kaum vorstellbar, dass auf einer gewöhnlichen Rasenfläche, angrenzend ein Spielplatz, einmal KZ-Gelände war. Die erste Führung des Tages beinhaltete außerdem einige fast in Vergessenheit geratene Orte wie eine SS-Kantine oder eine mittlerweile fast gewöhnliche Wohnsiedlung, wo nur durch die Architektur ansatzweise erkennbar ist, was einst an diesem Ort geschehen ist. Die Stimmung an diesen Orten zeigte sich durch ein Unwohlsein und eine ungewöhnliche Stille in der Gruppe.
Am Nachmittag jedoch änderte sich dies: Das Stammlager stand auf dem Plan. Das Stammlager Auschwitz I ist heute ein gut besuchtes staatliches Museum. Obwohl jeder schon oft Bilder des Lagers gesehen hatte, war das Gefühl, tatsächlich an diesem Ort zu sein, unfassbar bedrückend. Es sind Eindrücke, die kaum realisierbar wirken, die erst in Ruhe verarbeitet werden müssen. Die Ausstellungen, die wir uns ansahen, erstreckten sich vom Eingangstor über die Blöcke 5, 6, 7, 8und 11, sowie eine israelische Ausstellung im Block 27 und das Krematorium I. Die Blöcke 5 und 6befassen sich explizit mit der Vernichtung der Häftlinge. Ausgestellt sind Bilder, sowie Gegenstände der Opfer. Von Kleidung über Brillen, Prothesen, Kämmen und Geschirr bis hin zu Haaren, die ebenfalls verwertet wurden. Den Menschen wurde alles entrissen, nicht das geringste Eigentum war gestattet. Eine erschreckende Vorstellung. Die Blöcke 7 und 8 behandeln das Leben im Lager: die Art, wie Häftlinge behandelt wurden, welchen Status sie hatten und womit sie Tag und Nacht zu kämpfen hatten. Der Keller des Blocks 11 birgt jedoch ganz neue Eindrücke. Es ist der Ort der ersten Experimente mit Zyklon B. Die engen Räume, in Kombination mit den zahlreichen Besuchern, schaffen ein Gefühl der Klaustrophobie.
Nach Verlassen des Kellers kamen wir an die Erschießungswand, dem Ort, an dem zahlreiche Opfer ihr grausames Schicksal erwartete. Es entstand ein Moment der Stille und des Gedenkens, der Versuch, die so surreal erscheinenden Bilder zu verarbeiten.
Die israelische Ausstellung in Block 27 befasste sich mit dem jüdischen Leben vor, während und nach der Lagerzeit. Durch den chronologischen Verlauf der Zeit vor dem Dritten Reich, der Nazi-Propaganda, der Lagerzeit, den Überlebenden heute und dem Trauma, das sie begleitet, wird eine fesselnde Atmosphäre geschaffen. Die Ausstellung wurde mit einem Buch aller bekannten Namen der Opfer des Holocausts beendet. Die Liste wird noch immer aktualisiert.
Das Ende des Rundgangs bildeten diie Gaskammer und das Krematorium. Durch diesen Teil der Ausstellung gingen wir schweigend, aus Respekt und um den Ort auf sich wirken zu lassen. Am Abend gab es eine Reflexion, in der wir die Möglichkeit hatten, uns über das Gesehene und Erlebte auszutauschen. Nach dem offiziellen Ende der Gesprächsrunde diskutierte ein Teil der Gruppe noch bis halb 1 morgens.
Der nächste Tag begann mit der Besichtigung des Lagers Auschwitz II, Birkenau. Dieser Abschnitt des Lagers ist von Vernichtung geprägt. An diesem Tag beschäftigten wir uns jedoch mit Birkenau als Arbeitslager. Verglichen mit dem Stammlager ist Birkenau nicht besonders gut erhalten. Es liegt am Waldrand und ist mittlerweile zu einem Biotop geworden. Je weiter man sich vom Eingangstor entfernt, desto vergessener wirkt das Lager. Über die Wege, die einst Wüste waren, ist Gras gewachsen. Im nahe am Eingang gelegenen Frauenlager, sowie dem vorderen Bereich des Männerlagers sind unter anderem eine Kinderbaracke, eine Sanitärbaracke und der sogenannte Todesblock erhalten. Dieser war von einer Mauer umzäunt und von jenen Häftlingen bewohnt, die ihr Leben bereits aufgegeben und dem Hospitalismus zum Opfer gefallen waren. Weniger ist vom Theresienstädter Familienlager, den Baracken des Sonderkommandos und dem Zigeunerlager erhalten. Dort sind fast ausschließlich Ruinen zu sehen. Der nie fertiggestellte provisorische Lagerabschnitt Mexiko lässt sich nur durch verfallene Zaunpfähle erahnen. Es scheint, als mache sich Vergessenheit breit. Am Nachmittag wurde dieser Eindruck in Monowitz verstärkt. Vom ehemaligen Lager Auschwitz III Monowitz ist kaum etwas übrig. Der Lagerabschnitt, der für die Produktion des Chemiekonzerns IG Farben errichtet wurde, ist heutzutage ein kleines Dorf. Bis auf ein paar alte Luftschutzbunker in Gärten und eine kleine Gedenktafel mit christlichen Symbolen deutet nichts mehr auf das Konzentrationslager hin.
Die Reflexion an diesem Abend trug das Thema Täter. Diskutiert wurde über das Verhalten verschiedener Anhänger des Nationalsozialismus. Sowohl die aktiv beteiligten, als auch diejenigen, die „wegsahen“.
Der letzte Tag in Auschwitz wurde dem Thema Birkenau als Vernichtungslager gewidmet. Wir begannen unseren Rundgang mit einem Fußmarsch durch den Wald und die Wiesen, an denen zu jener Zeit Massengräber errichtet wurden – dem größten Friedhof der Welt. Dieser Weg führte uns zu den ersten als solche gebauten Gaskammern, dem „Roten Haus“ und dem „Weißen Haus“. Dazu kam die Besichtigung der Krematorien, dem Lagerabschnitt Kanada, an dem die geraubten Wertgegenstände der Opfer gelagert wurden, sowie der Zentralsauna, des ersten Ziels nach der Ankunft der zur Arbeit selektierten Häftlinge. Zum Abschluss legten wir eine Pause zum stillen Gedenken an den Ruinen des Krematoriums V ein, wobei jeder eine weiße Rose ablegte.
Am Nachmittag besuchten wir die Ausstellung des Überlebenden Marian Kolodziej in Harmence, durch die uns ein Franziskanermönch führte. Die Bilder des Künstlers beschrieben die Stimmung in den Lagern sehr gut, sowie das Trauma und die Erinnerungen, die ihn quälten. Sie zeigten die unvorstellbare Masse an Menschen, das unvorstellbare Leid. Besonders wurde dabei auf den christlichen Glauben eingegangen. Das wohl faszinierendste an den Bildern war die Darstellung der Augen und der Emotionen, die so detailliert zu erkennen waren.
Die darauf folgende Diskussion vor der Abreise aus Oswiecim befasste sich mit dem Thema „Was hat das mit mir zu tun?“. Dabei konzentrierten wir uns besonders auf Probleme, die die Welt heute bewegen. Beispielsweise der Klimawandel oder Kinderarbeit, die durch unsere Konsumgesellschaft oftmals sogar bewusst belastet bzw ignoriert werden.
Abend reisten wir weiter nach Krakau. Der nächste Tag war äußerst verplant. Wir begannen mit einem Zeitzeugengespräch. Die Zeitzeugin wurde im Krakauer Ghetto geboren und verbrachte ihre Kindheit versteckt in einer christlichen Pflegefamilie. Ihr Vater arbeitete für Oskar Schindler, ihre Mutter versteckte sich. Ihre ganze Familie überlebte den Krieg.
Am Nachmittag sahen wir uns den Ghettoplatz, sowie den Ort des Konzentrationslagers Plaszow an. Bis auf einige Informationstafeln und Gedenkstätten mit unter anderem christlichen Symbolen deutet kaum noch etwas auf die Vergangenheit des Ortes hin. Der heute noch aus Kieselsteinen bestehende Appellplatz ist vollständig mit Löwenzahn bewachsen.
Am Abend schlossen wir das Programm mit einem koscheren Abendessen und Klezmermusik in einem jüdischen Restaurant ab.
Insgesamt war die Gedenkstättenfahrt eine besondere Erfahrung. Dieses dunkle Kapitel der Geschichte wird dadurch zum Leben erweckt, was eine ganz neue Sichtweise auf das Gelernte bringt. Es ist eine Zeit, die nicht vergessen werden darf, damit sich solche Ereignisse nicht wiederholen. Dazu ist es wichtig, zu verstehen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Sich damit explizit auseinanderzusetzen, ist eine wertvolle Erfahrung, die definitiv empfehlenswert ist.