Dahin wie ein Schatten
Ein Projekt gegen das Vergessen
„Begegnung mit Auschwitz – Die Erinnerung an das Grauen wachhalten“
unter dieser Überschrift machen sich seit nunmehr fünf Jahren Schülerinnen und Schüler aus Ostholstein als Kooperationsprojekt der Cesar-Klein-Schule Ratekau und des Ostseegymnasiums Timmendorfer Strand auf den Weg zum größten Konzentrations- und Vernichtungslager des nationalsozialistischen Deutschen Reiches im heutigen polnischen Oswiecim.
Die Gedenkstättenfahrt hat das Ziel, dass sich die Teilnehmer/innen – ohne Schuldgefühle – der historischen Verantwortung für die von unseren deutschen Vorfahren begangenen Gräuel stellen. Vor diesem Hintergrund wollen wir nach individuellen Konsequenzen, gesellschaftlichen Werten und Verhaltensweisen fragen, denn Gedenken und Erinnern an die Vergangenheit sollten mit der Übernahme von Verantwortung in der Gegenwart verbunden werden.
Wie kann aus der Erinnerung eine Bereicherung für menschliches, demokratisches Verhalten heute werden?
„Dahin wie ein Schatten“
Projekt zur Erinnerung an das jüdische Geschwisterpaar
Hanna und Hermann Mecklenburg aus Lübeck
„Dahin wie ein Schatten“ ist eine im Alten Testament genutzte Metapher für das von Menschen erlittene Leid oder die Vergänglichkeit allen menschlichen Tuns und Lebens.
Angesichts des unermesslichen Leids, dass den Juden während der Herrschaft des Nationalsozialismus widerfahren ist, haben sich Schüler*innen und Lehrer*innen der Cesar-Klein-Schule Ratekau und des Ostseegymnasiums Timmendorfer Strand auf Spurensuche von jüdischen Kindern und Jugendlichen aus ihrer Region begeben, die diese Zeit erlebt haben. Sie sind dabei u.a. auf ein jüdisches Geschwisterpaar aus Lübeck gestoßen – Hanna und Hermann Mecklenburg – die nach Auschwitz deportiert und hier ermordet wurden.
Dieses Projekt hat zum Ziel, bei Jugendlichen einerseits eine Sensibilität für das Erinnern und Gedenken an begangenes Unrecht während der nationalsozialistischen Diktatur zu erreichen und andererseits über die vielfältige Geschichte und Kultur der Lübecker Juden zu informieren. Da es bald keine Zeitzeugen mehr geben wird, müssen andere Formen des „Wachhaltens“ der Vergangenheit gefunden werden. In diesem Projekt soll Jugendlichen die Gelegenheit gegeben werden, sich mit dieser Frage auseinandersetzen und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten kreativ mitgestalten und erfahren zu können. Sie werden damit zu Multiplikatoren der Geschichte.
Film „Licht ins Dunkel“ – Eine Reise ins Zentrum des Holocaust
Was von einer Fahrt zu den Gräueln des Holocaust bleibt, ist ein Film. Hier berichten die 17 Schülerinnen und Schüler aus Ratekau und Timmendorf, die im September 2019 an der Projektfahrt nach Auschwitz teilgenommen haben, über ihre Eindrücke – festgehalten von Kameramann Finn Nissen, der die Jugendlichen während der achttägigen Fahrt begleitet hat.
Günter Knebel, Geschichtslehrer an der Cesar-Klein-Schule in Ratekau, organisiert diese freiwilligen Projektfahrten zum dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte seit 2017. Seit 2018 besteht eine Kooperation mit dem Ostseegymnasium Timmendorfer Strand (OGT). Der Film „Licht ins Dunkel“ zeigt, wie nachhaltig die Fahrt zum Zentrum der Massenvernichtung jüdischen Lebens während des Nationalsozialismus auf die Teilnehmer*innen aus den 10. und 11. Jahrgängen der beiden Schulen gewirkt hat.
Die Jugendlichen haben sich vorbereitet und im Vorfeld der Fahrt zum Schicksal einiger der rund 500 Juden recherchiert, die zur Zeit der Machtübergabe 1933 in Lübeck lebten. Zu ihnen zählte auch die Familie Mecklenburg. 1938 emigrierte zuerst der Lübecker Papiergroßhändler Heinrich Herbert Mecklenburg nach Belgien, kurze Zeit später folgten seine Frau Therese Mecklenburg mit ihren Kindern Hanna und Hermann. Nach dem deutschen Überfall und der Besetzung Belgiens wurden Therese Mecklenburg, die 20-jährige Hanna und der 15-jährige Hermann 1942 nach Auschwitz deportiert und in der Gaskammer ermordet; der Vater kam in Gurs, einem südfranzösischen Internierungslager ums Leben.
In einem der berührendsten Momente des Films lesen Schülerinnen im ehemaligen Vernichtungslager Birkenau einen von ihnen verfassten Brief an die so jung ermordete Hanna vor: „Vermutlich reicht unsere Fantasie nicht im Ansatz dazu aus, uns vorzustellen, wie Sie sich während Ihres Aufenthaltes dort gefühlt haben müssen.“ Die Schülerinnen haben Steine vom Ostseestrand mitgebracht, als Symbole für „Frieden, Ruhe, Sorglosigkeit und Geborgenheit“, die Hanna während ihres angsterfüllten Lebens nicht erfahren konnte.
Die Teilnehmer*innen der Fahrt berichten noch Monate später wie die Eindrücke und Erlebnisse sie beschäftigen. Für sie ist damit verbunden, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten und sich heute gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus einzusetzen.